Category Archives: Gerichtsprozesse

Freispruch durch Erinnerungslücken

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Folgender Bericht wurde uns zugesandt. Vielen Dank!

Im heutigen [Anm. 22. März 2021], vorraussichtlich letzten Verhandlungstag gegen ein*e der Hambi9 bot sich der Verteidigung ein müheloser Erfolg. Angeklagt war Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB.

Dieser Vorwurf benötigt irgendeine Handlung, die die Repressionsorgane als "Gewalt" auslegen können, wozu auch Anketten zählt. Die Anklage schwafelte denn auch irgendwas von "Stahlseilen", mit denen sich die angeklagte UP an der Seilkonstruktion des über einem Tripod hängenden Skypod befestigt hätte. Mehr als diese Anklageschrift kannte der wie üblich glorreich unvorbereitete Staatsanwalt jedoch nicht von der Akte.

Nun konnten sich von den vier anwesenden Polizeizeugen drei zwar mit Müh und Not daran erinnern, dass es diese Konstellation "Skypod über Tripod" gegeben habe, außer dem Schriftführer Schleich, der nur im Auto saß und anhand des Funkverkehrs seinen Bericht schrieb, konnte sich aber keiner erinnern, dass der Skypod geräumt wurde.

Der erste Zeuge, Herr Berghauer vom Kölner "Höheninterventionsteam", meinte sich sogar zu erinnern, dass die Person nicht geräumt worden wäre, sondern selbstständig sich in ein Baumhaus neben dem Weg (DeathPop, Anm. des protokollierenden Zuschauis) begeben hätte. Er, ebenso wie der zweite Klettercop, konnten nur von der Räumung des Tripods berichten. Jener war sich nicht einmal sicher, ob der Skypod, an dessen Existenz er sich durchaus erinnerte, zu der Räumung dieses Tripods gehörte oder nicht vielmehr während der Großräumung im September 2018 angetroffen wurde. Glück für uns, dass das HIT erst zur Reulung begonnen hat, ihre Einsätze selbst zu dokumentieren, so waren die Zeugen ausnahmsweise mal tatsächlich auf ihre Erinnerungen angewiesen, statt sich wie üblich eigentlich nur an ihre Berichte zu erinnern.

Abgerundet wurde das ganze durch Pauli, Kölner Klettercop, mit so tollen Zitaten wie: "Ich hab in der Zeit - ich übertreib jetzt bestimmt - bestimmt im dreistelligen Bereich Leute runtergeholt von irgendwo" und "Das ist für mich ja nichts besonderes, da fährste nach Hessen, holst Leute runter vom Baum, fünf Minuten später bist du schon wieder woanders." An den Einsatz, um den es ging, konnte er sich aber gar nicht mehr erinnern.

Es folgte ein Rechtsgespräch zwischen Anwältin, Staatsanwalt und Richter hinter verschlossenen Türen, bei denen nochmal um eine Einstellung verhandelt wurde, um zu vermeiden, was unausweichlich folgte: Das skurrilste Plädoyer der Staatsanwaltschaft seit längerem: "Wie ja schon besprochen, ich wiederhol jetzt nur für die, die nicht dabei waren, was der Richter eben gesagt hat…"

Einziger Streitpunkt war am Ende die Frage, ob es für die sieben Wochen U-Haft Entschädigung geben sollte, was Richter und Staatsanwalt verneinten, aber dagegen ist das Rechtsmittel der Beschwerde möglich.

Damit geht ein Verfahren in der Hauptsache wohl zu Ende, das nie wäre begonnen worden, wenn Staatsanwaltschaft und Gericht bereits 2018 auf die  Polizeiführung gehört hätte, die nach dem schriftlichen Bericht des Zeugen Schleich die vorgeworfene Handlung nicht als Widerstand, sondern als nicht strafbare Sitzblockade einstufte und die jetzt freigesprochene Person nur zur Personalienfeststellung in Gewahrsam nahm.

Die UP fand das ganze Verfahren lehrreich und äußerte mit ihren letzten Worten ihre Dankbarkeit für das Gelernte:

“Liebe Staatsanwaltschaft, lieber Richter,

Vielleicht sollte ich mich bei euch bedanken. Bevor ihr euch entschieden habt, mich ins Gefängnis zu schicken, hatte ich volles Vertrauen in die Justiz. Ich wollte eigentlich studieren, voll integriert in die Gesellschaft sein.

Ich dachte "Gefängnisse sind für böse Menschen, dadurch werden sie sicher besser" aber ihr habt mir gezeigt, dass die Menschen, die in U-Haft sitzen, einfach sehr arm sind oder aus dem falschen Land kommen.

Ihr habt mich etwas über strukturellen Rassismus und Klassismus gelehrt. Da hab ich gelernt, solidarisch zu sein, indem ich für analphabete Menschen Briefe an ihre Verwandtschaft geschrieben habe, die keinen anderen Weg hatten mit ihnen zu kommunizieren. Dank ihnen habe ich gesehen, die bösen Menschen sind vielleicht die, die die Freiheitsberaubung der anderen organisiert, nicht die, die um ein mal schön zu riechen ein Parfum geklaut haben. Nicht die, die wegen Mundraub den ersten Geburtstag von ihrem Kind nicht mitfeiern werden.

Ihr habt mich besser überzeugt als alle Bücher über anarchistische Theorien. Ich werde für meine Rechte und die von anderen kämpfen und dabei das Gesetz so oft wie nötig brechen, was ich vorher noch nie gemacht hatte. Ihr habt meinem Leben ein Ziel gegeben. Danke für die Radikalisierung.“

Zwei Prozesse am Montag 22. März 2021

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Am Montag, den 22. März 2021 finden zwei weitere Strafgerichtsverhandlungen im Hambi-Kontext statt. Die Betroffenen freuen sich über solidarische Prozessbegleitung!

In Aachen wird ab 13 Uhr erneut in der Berufungsverhandlung über einen "tätlichen Angriff /Körperverletzung" (= Cop am Ellenbogen verletzt) verhandelt. In der 1. Instanz vorm AG Düren wurde bereits eine Geldstrafe über 60 Tagessätze verhängt.

In Kerpen wird ab 9 Uhr nun nach drei Jahren ein dritter Versuch für die Hauptverhandlung gegen eine UP der Hambi9 gewagt. Die UP wurde 2018 noch vor der großen September-Räumung während einer Barrikadenräumung festgenommen und saß mehrere Wochen in Untersuchungshaft.

Beim ersten Verhandlungstag im März 2018 wurde die Person aus der Haft entlassen, das Verfahren allerdings vom Hauptverfahren abgetrennt und an den Jugendrichter übergeben. Im Dezember 2020 wurde erneut verhandelt, aber nur kurz: während Richter Königsfeld nach seinen bisherigen, stark politisch motivierten, Auftritten u.a. gegen Eule oder UPIII fast gelangweilt auf sämtliche Sicherheitspolizeilichen Vorkehrungen (Ausweiskontrolle, Cops, Taschenkontrollen usw.) verzichtete und zu einer Einstellung bereit schien, pochte die Staatsanwaltschaft auf die Angabe der Personalien bzw. das Einwilligen in eine Erkennungsdienstliche Behandlung als Auflage für eine Einstellung.

Dazu kam, dass wieder einmal keine für "die Aufklärung des Sachverhalts" hilfreiche Zeugen geladen waren, sodass der Prozess erneut verschoben wurde. Da der Mangel an Dokumentation von Polizeieinsätzen bereits in mehreren Hambi-Prozessen, insbesondere in den Hambi9 - Prozessen auseinandergepflückt wurde, bleibt also abzuwarten, ob diesen Montag tatsächlich das Verfahren zumindest in der 1. Instanz beendet werden wird.

+++ ABGESAGT +++ §114 Berufung gegen Freiburger Aktivisten nach Hambi-Räumung 2018

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+++ ABGESAGT! Der Prozess findet voraussichtlich im März 2021 statt. +++

Quelle: Rote Hilfe Ortsgruppe Freiburg

Am 07.12. soll um 09:00 Uhr am Landgericht Aachen in Raum A 1.010 ein Prozess gegen einen Freiburger Aktivisten wegen der Räumung des Hambacher Waldes im September 2018 stattfinden. Der Beschuldigte wurde dabei bereits vor einem Jahr vom Amtsgericht Düren freigesprochen, die Staatsanwaltschaft will aber scheinbar den neu geschaffenen Paragrafen §114 bis an seine Grenzen treiben. Continue reading +++ ABGESAGT +++ §114 Berufung gegen Freiburger Aktivisten nach Hambi-Räumung 2018 

Berufungs-Prozess wegen Hambi Räumung

Update: ABGESAGT wegen Krankheit.

Quelle: RH Freiburg

Am 09.März 2020 um 13Uhr findet am Landgericht Aachen im Sitzungsaal A 1.010 ein Prozess gegen einen Aktivisten statt. Der Vorwurf lautet tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte“ (§114 StGB). Dabei handelt es sich um eine Berufungsverhandlung, nachdem der Aktivist vom Amtsgericht Düren freigesprochen wurde.

Es wird behauptet, der Aktivist habe in einer Gruppe im September 2018 versucht während der stattfindenden Räumung in den Hambacher Wald zu gelangen. Dabei sollen Polizeikräfte versucht haben die Gruppe aufzuhalten. Der Aktivist soll bei seiner Festnahme einen Polizisten getreten haben.

Klar ist, dass bereits im Winter 2018 die Polizei einen ausgestellten Platzverweis des Aktivisten über 3 Monate zurückzog und so dessen Unrechtmäßigkeit zugab. Im Sommer 2019 wurde vom Landgericht Aachen zudem festgestellt, dass die Ingewahrsamnahme des Aktivisten über 36 Stunden zu Unrecht stattgefunden hat. Im Herbst 2019 wollte dann die Staatsanwaltschaft den vermeintlichen Tritt wenigstens noch zur Anklage bringen.

In der Gerichtsverhandlung [vorm AG Düren] sollten zwei Polizist*innen gegen den Betroffenen aussagen. Der angeblich getretene Polizist war sich dann aber plötzlich doch nicht sicher, ob er überhaupt getreten wurde, oder ob der nur ein Bein beim zu Bodenbringen des Aktivisten gespürt hatte. Die Polizistin, die als Zeugin aussagte, erinnerte sich nach eigener Aussage an einen Tritt, allerdings zu einem völlig anderen Zeitpunkt, nämlich nachdem der Aktivist bereits am Boden war und der angeblich getretene Polizist ihm auf dem Rücken kniete. Wie dieser Tritt möglich sein soll blieb ihr Geheimnis, auch nach mehrfacher Nachfrage. Nur der Staatsanwalt schien es dann doch für möglich zu halten und sah den Tritt als bewiesen an. In seinem Plädoyer befand er den Aktivisten schließlich auch für schuldig. Seine Begründung dabei: Selbst wenn der Tritt nicht stattgefunden hätte, wäre alleine das ‚aggressive Zulaufen‘ auf die Polizei bereits ein tätlicher Angriff. Diese absurde Begründung lässt den neu eingeführten Gummiparagrafen §114 endgültig zum beliebigen Mittel staatlicher Repression werden. Nun sollen also alle Aktivist*innen für ein nicht näher zu bestimmendes ‚aggressives Zulaufen‘ auf Polizeibeamte zu mindestens 90 Tagesätzen verurteilt werden können?

Dieser Begründung konnte schließlich auch der Richter am Amtsgericht nicht folgen und sprach den Betroffenen konsequenterweise frei: Der Tritt könne nicht bewiesen werden, weil die Zeug*innen verschiedene Situationen beschreiben und das Zulaufen reiche nicht, um jemanden zu verurteilen.

Die Staatsanwaltschaft aber blieb bei ihrer Meinung und legte Berufung ein, weshalb die nächste Verhandlung nun am Landgericht Aachen stattfindet. Es soll also weiter versucht werden legitimenProtest zu kriminalisieren und die Aktivist*innen in gut und böse einzuteilen.

Wir wollen uns das nicht gefallen lassen: Solidarität gegen Repression! Falls ihr also am Tag in der Nähe von Aachen seid, kommt vorbei!

Für den Prozess wurden Einlasskontrollen angeordnet.

31. Januar: Prozess in Düren

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Quelle: hambacherforst.org

Ab 9 Uhr findet in Düren (Amtsgericht, Zimmer 1.07) der zweite Teil eines Prozesses gegen Jazzy und Winter in Folge der Hambiräumung 2018 statt. Es wird gewünscht, dass im Gerichtssaal nur den beiden bekannte Menschen anwesend wären.

Ausweiskontrollen! Eingang rechts vom Haupteingang, durch den Hof.

Parallel gibt es zwei ähnliche Termine in Kerpen, siehe LINK.

Zwei Räumungsprozesse mit Laienverteidigung am 31. Januar in Kerpen

Am Freitag, 31. Januar 2020 wird es in Kerpen gleich zwei Prozesse hintereinander geben, die von den Angeklagten gemeinsam mit ihrer Laienverteidigung bestritten werden.

Laienverteidigung bedeutet, dass die Verteidigung nicht von staatlich geprüften Rechtsanwält*innen, sondern von den Angeklagten* selbst oder gemeinsam mit ausgewählten Compas und/oder solidarischen Unterstützer*innen in enger Absprache mit den Anklagten* übernommen wird. Continue reading Zwei Räumungsprozesse mit Laienverteidigung am 31. Januar in Kerpen 

Prozess am 27. September 2019 in Düren

Quelle: tacker.fr

Prozess am 27.September gegen Freiburger Aktivisten am Amtsgericht Düren wegen Räumung des Hambacher Forsts.

Am 27. September um 11.00 Uhr soll am Amtsgericht Düren im Sitzungssaal 1.07 (1. Etage) ein Prozess wegen tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte gegen einen in Freiburg lebenden Aktivisten stattfinden. Dem Betroffenen wird vorgeworfen bei seiner Festnahme im September letzten Jahres in der Nähe des Hambacher Waldes einen Polizisten getreten zu haben.

September 2018 begann im Hambacher Wald die Räumung der dort lebenden Baum-Besetzer*innen. Die Räumung wurde mit großen Protesten begleitet. An diesen beteiligte sich auch der Betroffene. Mit einem riesigen Polizeiaufgebot wurden die Interessen des Energiekonzern RWE durchgesetzt. Dabei wurde der Betroffene am Rande des Hambacher Waldes festgenommen und über 39 Stunden festgehalten. Bei seiner Festnahme soll er einen Polizisten getreten haben. Die einzigen Zeug*innen für diesen Vorfall sind dabei zwei Beamt*innen, einer davon das angebliche Opfer. Die lange Gewahrsamszeit wurde in der Zwischenzeit bereits von Landgericht Aachen für unzulässig befunden. Nun will die Staatsanwaltschaft den Protest weiter kriminalisieren und als gewalttätig darstellen, indem wenigstens der angebliche Fußtritt als tätlicher Angriff gegen
Vollstreckungsbeamte verurteilt wird.

Das harte Vorgehen gegen die Proteste um den Hambacher Forst folgt einem politischen Kalkül. Die Klimabewegung soll in einen friedlichen und einen bösen radikalen Teil gespalten werden. Außerdem soll die Bewegung als solche eingeschüchtert werden. Aber wir lassen uns weder
einschüchtern noch spalten. Falls ihr in der Nähe seid schaut vorbei, ansonsten informieren wir euch weiter über den Ausgang des Prozesses.