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Bericht vom ersten Prozesstag: Hier.
Zum zweiten Prozesstag steht weniger Polizei vor der Gerichtstür, denn Oaktown wird ja simultan geräumt. Ausweiskontrollen am Einlass gibt es trotzdem.
Gleich zu Beginn der Verhandlung wird verkündet, dass es keine Videos vom 21. Januar 2016 weder von RWE noch von Industrie- und Werkschutz Mundt gibt. Schade!
Weil drei als Zeugen geladene Mundt-Mitarbeiter gemeinsam auf der Wartebank sitzen, wünscht die Verteidigung, die beiden in getrennten Räumen warten zu lassen, denn beim letzten Prozess konnte ja bereits ein Eindruck gewonnen werden, wie wertvoll die Zeugentrennung für den Wahrheitsgehalt der Aussagen sein kann.
Zuerst noch perplex „wenn die Zeugen sich absprechen, dann werden sie es doch schon längst getan haben?!“, lenkt die Richterin schnell ein: Jeder bekommt einen eigenen „Warteraum“ - scheinbar quer durchs Gericht verteilt.
Der erster Zeuge des Tages war am 21. Januar 2016 in der Hundestaffel der Sicherheitsfirma IWS Mundt im Auftrag der RWE zum Schutze der Rodungen eingesetzt.
Er erinnert sich an den Tag und gesteht ein: „die sind auf uns los, wir sind auf die los“ und „auf beiden Seiten wurden Fehler gemacht“.
Er behauptet, dass es von RWE die Anweisung gab, nicht zu filmen da es nicht zu „einer Schlammschlacht zwischen Aktivist_innen und RWE“ kommen solle.
An die Anwesenheit der Angeklagten bei dem Vorfall kann er sich nicht entsinnen.
Der zweite Zeuge war schon beim letzten Prozess geladen gewesen. Dort hatte er behauptet, wie auch in den Aussagen damals, dass er Einsatzleiter der Firma IWSM sei. Dieses Mal gibt er an, jemand anderes sei Einsatzleiter für den 21. Januar 2016 gewesen.
Er erzählt, dass es damals noch nicht üblich war für Securitys, Einsätze zu filmen, es mittlerweile aber Kameras gibt, die ausgeteilt werden und mit denen auf Ansage von RWE gefilmt würde. Auch die Autos seien mittlerweile mit Kameras („GoPros“) ausgestattet.
An der Aussage, die Angeklagte an besagtem Tag erkannt zu haben hält er fest, kann sie jedoch nach wie vor nicht untermauern.
Vorne am Richtipult wird sich dann, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, das Video der Überwachungskamera des Abraumbaggers angeschaut. Allerdings sind nur Warnwesten (also Securitys) sichtbar, Menschen in Camouflage kaum.
Die Aufnahmen sind ohnehin von dürftiger Qualität, dennoch ist zu erkennen, wie sich die beiden Gruppen auf der Brücke vor- und zurück bewegen. Als die Kamera ran zoomt ist zu sehen, wie einzelne Securitys Sachen werfen oder auf kaum sichtbare Gegner_innen losgehen und mit Helmen auf Personen am Boden einschlagen.
Zum Ende gerät der Zeuge noch in Erklärungsnot als die Richterin fragt, was da gesprüht wurde, denn das es bei den Securitys eine Zeit lang gängige Praxis war, Aktivist_innen mit Feuerlöschern auf Abstand zu halten, wollte er scheinbar lieber nicht erzählen.
Auch das Video, welches auf YouTube von diesem Tag zu finden ist wird, wie schon beim letzten Prozess, angesehen und wieder tönt „Burn cops not coal“ durch den Gerichtsaal.
Die Verteidigung der Angeklagten stellt einen Beweisantrag darauf, den Hauptbetriebsplan zu besehen. Begründung: Die Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit der Rodungen zu dieser Zeit zu prüfen. Die Staatsanwaltschaft scheint nicht sonderlich begeistert.
Der dritte Zeuge ist Bergbauingenieur und war bei der Kohlebunkerblockade am Tagebau Hambach am 12. Dezember 2015 zeitweise vor Ort.
Er erinnert sich, dass gegen ein Uhr nachts zwei Aufnahmegeräte über die Notabschaltung gestoppt wurde und daraufhin auf beiden jeweils zwei Aktivisterix hoch oben auf den Maschinen entdeckt wurden, die sich mit Fahrradschlössern um den Hals angekettet hatten. (Aktionsbericht hier.)
Die Betätigung des Not-Aus-Knopfes bewirke, dass ein Fachmensch kommen muss um zu prüfen, was los ist und den Betrieb wieder anzustellen. Da in der Regel keine Mitarbeiter vor Ort sind, weil der Betrieb im Bunker ohne das ständige Beisein von Personal ablaufen könne, war die Anwesenheit der Aktivisterix nicht bemerkt worden.
Er berichtet, dass gegen die zu dem Zeitpunkt namentlich Unbekannte am 4. Oktober 2015 ein Hausverbot erteilt worden war. Zur Identifizierung dienten Lichtbilder, die an genanntem Datum von der Angeklagten gemacht worden seien. Ein RWE-Mitarbeiter hält neben ihr auf dem Foto ein Papier mit der Aufschrift „Hausverbot erteilt!“.
Es folgen nähere Erörterungen über den Kohlebunker. Der Zeuge gibt sich in mehreren Sätzen große Mühe, die Aktion als dramatisch und gleichzeitig unzureichend darzustellen a la „Es gab keine Ausfälle im Ablauf aber Einschränkungen im Betrieb“ und „Es wurde genauso viel Kohle wie sonst auch verstromt aber mit Mehraufwand und Umstellung in den Kohlebunkern.“
Des weiteren wird die Abgrenzung des Gebietes anhand einer vom Zeugen mitgebrachten Karte beschrieben; Zäune, Schranken, Erdwälle und Dämme mit Schildern, Gräben und Abhänge würden das Gebiet um den Tagebau umfrieden, so der Zeuge.
Die Richterin und die Verteidigung der Angeklagten finden aber dennoch Lücken, die der Zeuge eingestehen muss, zum Beispiel von der Rekultivierung kommend acht Kilometer durch den Tagebau laufend oder: „Was, wenn ich an der Straße in den Wald laufe, um die Schranke herum und dann wieder auf die Straße, ist das möglich?“. Es bedarf noch einigen eindringliche Nachfragen nach Zäunen bis er schließlich bestätigt: das Gelände ist nicht komplett umfriedet.
Der vierter Zeuge ist Elektroingenieur, er war am 4.Oktober 2015 vor Ort als Einsatzleiter. Nach Erläuterungen zur Blockade wird auch mit ihm noch einmal die Umfriedung besprochen.
Er berichtet, das aufgestellte Schilder auf den Aufwallungen, die eine Befriedung kenntlich machen sollten, häufig innerhalb kürzester Zeit weg waren. Und schließlich muss auch er widerwillig zugeben; über Dämme, Gräben, durch Morast und Maschinen ist der Zugang mindestens über die Rekultivierungsanlage, der „Sophienhöhe“ möglich, ohne Schilder und Zäune zu passieren.
Es folgen zwei Polizist_innen als Zeugen, die allerdings nichts Aufschlussreiches zu berichten haben.
Vor der Mittagspause werden noch zwei Beweisanträge gestellt.
Im ersten wird die Ladung von Vorstandvertretern der RWE und innogy gefordert um zu erfahren, wie viel Strom ins Ausland verkauft wird und somit zu prüfen, ob es sich tatsächlich um einen öffentlichen Betrieb handelt.
Begründung: Die Kraftwerke der RWE AG bzw. der innogy SE produzieren Strom, um ihn ins Ausland zu verkaufen. Die Verkäufe werden Monate im Voraus vereinbart, so dass die Kraftwerke damit nicht der öffentlichen Versorgung dienen.
Im zweite Antrag wird ein Sachverständigengutachten durch Prof. Schellenhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Mitglied in der Kohle im Bezug auf die weltklimatische Lage gefordert, um zu beweisen, das akuter Handlungsbedarf gefordert ist, der unter Umständen auch das Recht der Nothilfe gelten machen würde
Begründet wird der Antrag mit einem Ausschnitt aus einem Interview mit Herrn Schellenhuber, in dem er beschreibt, wie unsere Kinder das Jahr 2100 erleben könnten, wenn wir uns nicht anstrengen, die durch den Klimawandel verursachte Erderwärmung aufs Unausweichliche zu beschränken.
Während der Verteidiger der Angeklagten die Beweisanträge verließt, reibt sich die Richterin abwechselnd Stirn und Schläfen.
Es wird noch ein Polizist, der das Videomaterial vom 21.Januar 2016 ausgewertet hat, angehört, dann gibt es eine 45 Minütige Mittagspause.
Die nächsten beiden Zeugen sind wieder Polizist_innen und wie schon ihre Kollegen vor ihnen haben sie nichts Neues zu erzählen. Sie sind angepisst, weil sie lange warten mussten (vier Stunden) und weil der eine auch noch ein Knöllchen kassiert hat fragt er, ob ihm das auch erstattet wird (wie Fahrtkosten) aber die Richterin so „Nö!“.
Der zehnte und letzte Zeuge ist auch Polizist. Er war am 4. Oktober 2015 oben bei den Besetzenden gewesen und beschrieb den Kontakt als „freundlich und angenehmes Gespräch“ und „absolut friedlich“. Die Aktivist_innen seien durchnässt gewesen, weil sie durch RWE Personal mit Feuerwehrschläuchen nassgespritzt worden waren.
Zum Schluss werden zwei Beweisanträge abgelehnt und einem stattgegeben: zum nächsten Prozess werden die Vorstandsmitglieder von RWE und innogy geladen, um zu erklären, wohin der Strom aus den Kraftwerken überhaupt geht.
Ob wir nun endlich erfahren, wie viel Strom denn nun tatsächlich ins Ausland, an die Industrie, z.b. der Waffenindustrie (Hydro Aluminium, Rheinmetall und co.) oder in die Selbsterhaltung der Tagebaue geht?
Der nächste und letzte Prozess findet statt am:
5. Oktober 2018 wieder um 9.15 Uhr
Amtsgericht Düren, Saal 1.07
Wer also nach fast drei Wochen Räumung im Wald Lust auf etwas Abwechslung und Solidarität zeigen hat sei eingeladen, den Prozesstag kritisch und kreativ zu begleiten!
Breite Öffentlichkeit gewünscht!