deutsch
Der Gerichtsprozess gegen E* (Vorwurf der Tortung einer Politiker*in in Norwegen) ist höchst wahrscheinlich am 7 Juli. Folgend der erste Brief von E* aus dem Gefängnis. Das Original in englischer Sprache ist weiter unten zu finden.
Juni 2016, Bredveit
Die Fenster mögen sich vielleicht öffnen, doch sind immer noch Gitter dahinter Die Leute mögen vielleicht aussehen wie du und ich, doch sie sind immer noch Wärter*innen Das Bett ist vielleicht gemütlich, doch die Nächte sind immer noch hart Die Gesichter mögen vielleicht lachen, doch dort sind immer noch Narben Die Arbeit mag vielleicht leicht sein, doch sie zu verweigern, bedeutet weniger zu essen Dieser Platz mag vielleicht keine Folter sein, doch ist er nicht weniger ein Gefängnis Doch solange niemensch hier unten frei ist Fliegen die Vögel immer noch darüber hinfort.
Ich sitze auf meinem Bett, in meiner 3ten Nacht im Bredveit Gefängnis für Frauen in Oslo. Ich gewöhne mich immer noch an den Fakt das ich hier bin, manchmal halte ich inne und fühle mich etwas geschockt, wenn ich sehe, dass ich in einem Raum eingesperrt bin, unfähig, welche Entscheidung ich auch immer treffen wollte, zu treffen. Es ist ein seltsames Gefühl. Mir geht's soweit ok, ich dachte mir, dass ich eines Tages an diesem Punkt komme und es ist viel leichter, stark zu sein, wenn du dich so gut wie möglich darauf vorbereitest. Natürlich bereitet nichts eine Person vollständig darauf vor, im Gefängnis zu sein. Viele Menschen sagten mir, dass wenn du ins Gefängnis gehst, Norwegen einer der besten Plätze dafür ist. Ich sehe jetzt warum Menschen das glauben. Ich erinnere mich und andere stets daran, dass ein “nettes” Gefängnis immer noch ein Gefängnis, ein Käfig, ist. Sie stimmen zu – es ist wichtig das reformistische Einstellungen nicht eine wirkliche Befreiung und die Zerstörung von Hierarchien ersetzten, doch ich kann total verstehen, dass dieser Platz viel besser zu ertragen ist als (Gefängnisse in) Deutschland, Russland, Belarus, England... Es ist seltsam, zu versuchen, all meine Gefühle in einem Stück beisammen zu halten. Dieses Gedicht hier versucht ein wenig zusammenzufassen, was ich denke. Aber abgesehen davon geht's mir ok. Ich fokussiere mich aufs lesen, mich fit zu halten und mir die Zähne zu putzen - haha; Ich werde fröhlich ihre Möglichkeiten für meinen eigenen Vorteil nutzen (ich werde Bauchmuskeln wie Steine haben, wenn ich hier raus komme). Viele der Leute hier haben im Radio oder in den Nachrichten gehört was passierte, und die ersten Tage wurden mir viele Fragen darüber gestellt, aber ich glaube, generell finden die Leute es lächerlich, dass ich dafür im Gefängnis bin. Ich realisiere, wie groß diese Geschichte gerade in Norwegen oder zumindest in Oslo im Moment ist. Es ist witzig zu sehen, wie die ganze Sache die passive, unterwürfige Gesellschaft genug erschüttert und ihre monotone Routine, ihre sich selbst kontrollierenden Strukturen und ihre schwachen Schreie nach Demokratie und Anpassung an die technologisch-industrielle kapitalistische Norm immer noch heraus fordern kann. Jemensch sagte zu mir an meinem ersten Tag hier, es wäre gut in ein Frauengefängnis zu kommen, wenn du Feminist*in bist. Das interessierte mich, erstens weil ich bis jetzt noch keinen Grund oder die Möglichkeit hatte, mich als nicht-binäre Trans jemensch zu offenbaren. Ich glaube, ich bin zu schüchtern und habe bis jetzt noch niemensch gefunden, wem ich es zutraue, es zu verstehen oder bei wem ich mich sicher genug fühlte, darüber zu reden. Es ist nicht wichtig das die Leute wissen, dass ich keine Frau bin. Ich weiß es und das ist genug. Aber es bedeutet, dass ich nicht notwendigerweise mit den Menschen verbunden bin. Wie auch immer, wir alle scheinen ein einhelliges Misstrauen, Hass oder geringes Interesse an der Not von CIS - Männern zu haben. Und das stärkt das Zugehörigkeitsgefühl. Es gibt viel Gerede und einige Rivalitäten, doch viel intensiver ist die Unterstützung und viel tiefer das ernste Verständnis, das die Leute füreinander haben (so zumindest wie ich es bis jetzt erlebt habe), das gemeinsame durchstehen der Wut auf die Männer in ihrem Leben, welche für die Mehrheit der Grund für ihre Gefangenschaft zu sein scheinen. So das ist etwas, was ich den Leuten über diesen Gedanken sagen wollte. Ich komme soweit mit einigen der Frauen hier klar und beginne Freunde zu finden, doch ich bin auch sozial besorgt und ein introvertierte*r Nihilist zu sein, bedeutet auf vielen sozialen Ebenen zu kämpfen. Haha. Aber schon jetzt sehe ich es manchmal als notwendig an, von einer scharfen Kritik einen Schritt zurück zu gehen, wenn du über die Lächerlichkeit der Situation lachen musst. Ich weiß, dass ich hier nicht für lange sein werde, aber ich glaube, ohne die Albernheit und das Lachen dieser Frauen würde ich eine viel härtere Zeit haben. Ich will einige der Menschen wirklich besser kennen lernen. Ich hoffe das klappt. Ich möchte mich bei all den Leuten entschuldigen, die sich darauf gefreut haben uns im Blitz am Donnerstag und nächsten Monat in Wien zu sehen. Ich weiß nicht, was mit R los ist und möchte euch alle bitten, sie bestmöglich nach ihren Bedürfnissen zu unterstützen. Der Industrielle Komplex Gefängnis trifft alle nicht - nur die drinnen. Auch hatte ich bis noch nicht die Möglichkeit mit meiner Familie zu sprechen wegen der limitierten Telefonzeit. Also wenn Leute unterstützende Nachrichten ihnen über die Band-Facebook-Seite zukommen lassen könnten, wäre das großartig. Ich weiß, dass das Gefängnis inzwischen Teil unserer Realität geworden ist, aber nicht jede*r ist darauf vorbereitet, mit diesen beschissenen und angsteinflößenden Situationen konfrontiert zu werden. Umso wichtiger ist es, uns gegenseitig zu unterstützen und die Erfahrung dadurch erträglicher zu machen. Dad + J, ich werde so bald wie möglich anrufen! Vielen Dank an alle Freund*innen für all die Mühe, die ihr schon jetzt in Solidaritätszeugs gesteckt habt, genauso für den guten Kontakt zu den Anwält*innen, die euch glaube ich, sehr lieb gewonnen haben. Es nervt, Norwegen schließlich doch nicht sehen zu können, aber ich hoffe dass ihr weiterhin Pläne schmiedet. Es würde mich wahrscheinlich ziemlich runter ziehen, wenn ich nicht wüsste, dass da so liebenswerte und zugleich schelmische Gefährt*innen und Buddies auf der anderen Seite des Zauns auf mich warten, vielen Dank dafür! Es gibt noch viel mehr was ich gerne schreiben würde, aber es ist spät und das seltsame Licht im Raum verursacht bei mir einen komischen Schlafrhythmus. Aber ich hoffe, dass das ein gutes Update für die Menschen da draußen ist, und wenn irgendwer Bock hat Briefe zu schreiben, wäre es besser sie an unsere Freund*innen vom Hambacher Forst zu schicken, und an die Gefährt*innen, die in den Händen der weitaus repressiveren Staaten gefangen sind. Ich freue mich zwar über Briefe, aber ich bin bald draußen – und viele unserer Freunde machen schwerere Zeiten durch und sind in viel härtere Kämpfe verwickelt. Nun denn, lasst uns unsere Köpfe weiterhin hochhalten und unsere Feuer sollen weiter brennen, das ist alles was wir tun können. In Gedanken an all die lieben Menschen, ich kann's kaum erwarten wieder unterwegs zu sein - auf der anderen Seite dieser Mauern!!
english
The courtcase of E, who is accused of pieing a politician in norway will most likely be the 7th of july. The following is a letter from E from the jail that we received.
The window might be open, but there are still bars The people look just like me and you, but they are still guards The bed may be comfortable but the night is still hard The faces may be smiling, but there are still scars The trees may be visible, but there are fences in between The work may be easy, but to refuse means not much to eat This place may not be torture, but it is prison nonetheless But whilst nobody down here is free The birds still fly overhead.
I’m sitting on my bed, on my 3rd night in Bredtveit prison for women in Oslo. I’m still getting used to the fact that I’m here, sometimes I stop what I’m doing and feel a bit shocked to see that I’m locked in a room or unable to make whatever choice I want to, it’s a very weird feeling. I’m doing ok, I have been thinking that this day will come at some point and it is much easier to feel strong when you prepare as much as you can. Of course, nothing fully prepares a person for prison. Many people said that if you’re gonna go to prison then Norway is one of the best places. I can see why people think this. I keep reminding myself and them that a ‘nice’ prison is still a prison, still a cage. They agree — it’s important to not let reformist attitudes substitute real liberation and destruction of hierarchies but I can totally see that to a lot of people here, this place is a much better deal than somewhere else, in Germany, Russia, Belarus, England… So it’s strange to try and put all my feelings together in one piece. There’s a poem here that kinda tries sum up how I am thinking. But aside from this, I am doing ok. I’m focusing on reading, getting fit and actually brushing my teeth haha; I will happily exploit their facilities for my own gain (I better have rock hard abs by the time I leave). A lot of people here have heard what happened on the radio or the news, and for these first few days I kept getting asked questions about it, but I think generally people find it ridiculous that I’m in prison because of this. Realising how big this story is in Norway, or at least in Oslo right now. Its fun to see how this whole thing shook up the passive, submissive society enough to see that their routine of monotony, their highly self-policing structures and their weak cries of democracy and assimilation into the techno-industrial capitalist order can still be challenged. Someone said to me on my first day here that it is good to come to a woman’s prison if you’re a feminist. That interested me, firstly because I haven’t yet found a reason or the ability to come out as non-binary trans to anyone. I think I’m too shy and I haven’t found anyone I trust to understand and feel safe telling them. It’s not important that people know that I’m not a woman. I know it and that is enough. But it means I don’t necessarily relate to people in that way. However, we all seem to share a unanimous mistrust, hatred or lack of interest in the plight of cis men, and that seems to be a very uniting thing. There is a lot of gossip and some rivalry but more intensely is the support and deeper, more serious understanding that these people have of each other (or just from what I’ve seen and been part of so far) through standing together against the wrath of the men in their lives who for more people than not, seem to be the reason for their imprisonment. So that’s something that I would like to talk to people about these thoughts. So far I’m getting along well with some women here and I can see myself making friends, but also being socially anxious and genrally a nihilistic introvert means I’m struggling on some social levels haha. But I’m already finding that sometimes it’s necessary to take a step back from having a harsh critique ready at every moment, when you just need to laugh at the ridiculousness of the situation. I know I’m not here for long, but I think without the silliness and laughter that these women offer, I would have a much harder time. I would really like to get to know some people, I hope I do. I wanna apologize to all the peeps looking forward to seeing us play at Blitz on Thursday and possibly in Vienna next month. I don’t know what R has up their sleeve but I’d like to ask everyone to support them as much as they need it. The prison industrial complex affects everyone involved, not just those inside. Also, I haven’t had a chance yet to talk to my family because of limited calling time, so if people can pass on messages of support through the Cistem Failure bandpage on Facebook, this would be amazing. I know that for us, the reality of prison has to be normalised so that we can keep going, but not everyone around is so prepared to be confronted with these shitty and scary situations, and it’s important that we can make each other’s experiences easier through support. Dad + James, I will call as soon as I can! Also a huge thanks to the friends around here, for putting a lot of effort already into solidarity stuff, as well as becoming good mates with the lawyers, who I think really like you lot ☺ It sucks not being able to see Norway in the end, but I hope that you peeps still get to see those plans through. I would probably get quite down if such lovely and mischievous comrades and buddies weren’t on the other side of these fences, so thanks a bunch. There’s a bunch more things that I could say, but it’s late and the weird light in the room makes it a strange sleeping pattern. But I hope this was a nice update for people, and if anyone feels like writing letters, then I think they would be better sent to our friends from Hambach Forest, as well as comrades all over the world suffering at the hands of an increasingly more repressive state. I like letters but I will be out soon — a lot of our friends are facing more time and harder struggles, do so let’s keep each other’s spirits high and our fires burning, that’s the best thing for now. Thinking of all the lovely people and I can’t wait to be out on the road again, on the other side of this fence!!