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Am 27. November 2018 startete die dritte und damit letzte Runde der Gerichte gegen Joe. Es folgt ein Überblick über das Verfahren:
Festnahme & Haft
Joe wurde in der Nacht vom 24. auf den 25. Januar 2017 am Kölner Hauptbahnhof vorläufig festgenommen und am folgenden Tag im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens in Hauptverhandlungshaft in die JVA Köln verfrachtet.
1. Instanz: AG Köln
Bereits wenige Tage nach der Festnahme fand am 27. Januar 2017 die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Köln statt. Laut Anklage habe er bei einer Kontrolle am Kölner Hauptbahnhof, versucht sich der polizeilichen Maßnahme zu entziehen und dabei einen Polizeibeamten erst beleidigt und seinen Kollegen dann mit einem Pfefferspray bedroht.
Der Prozess konzentrierte sich nach der Einräumung der Beleidigung und einer Teileinstellung nach §154 StPO bzgl. des dritten Anklagepunktes auf den Widerstand im besonders schwerem Fall. Die Staatsanwaltschaft sah die „Drohung mit Gewalt Widerstand zu leisten“ als bewiesen an, da der Angeklagte ein Pfefferspray eben dazu angeblich nutzen wollte.
Joe erklärte in seiner Einlassung, er hab das Pfefferspray nur in der Hand gehabt, um es vor einer Festnahme loszuwerden, war allerdings im Blickfeld der Beamten, woraufhin er dazu keine Möglichkeit mehr sah. Neben dem Richter schien sich damals der Meinung der Staatsanwaltschaft kaum eine*r der Anwesende im Saal anzuschließen.
So wurde Joe in erster Instanz zu einer 6-monatigen Haftstrafe ausgesetzt auf Bewährung verurteilt. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Der Haftbefehl wurde aufgehoben und Joe entlassen. Joe und sein Verteidiger legten Rechtsmittel ein.
2. Instanz / Berufung LG Köln
Am 12. Juli des selben Jahres fand vor dem LG Köln dann die Berufung statt. Wieder war der Fokus der Verhandlung auf die Widerstandshandlung gerichtet:
Zeuge R., der sich doch nach Meinung des Richters durch die Handlung von Joe bitte bitte bedroht gefühlt haben sollte, erläuterte recht kurz und schmerzfrei seine Erinnerung auf den Tatabend. Er habe über Funk Bescheid bekommen und versucht Joe beim Verlassen des Hbf am Breslauer Platz zu stellen. Joe sei dabei auf ihn zu gerannt, habe versucht auszuweichen, was nicht klappte. Auch auf wiederholte Nachfrage des Richters hin, lies er sich nicht beirren und blieb dabei, dass er sich durch den Gegenstand in Joes Hand, welchen er erst im Nachhinein als Pfeffer identifizieren konnte, nicht bedroht fühlte. Sei halt Teil des Jobs, dafür sei er ausgebildet.
Und so kam ein für die Prozessbeobachter*innen wenig überraschendes Urteil: Teilfreispruch für den Widerstand im besonders schweren Fall und eine Verurteilung wegen Beleidigung.
Das Strafmaß bestimmte das Gericht am Ende ganz stumpf in der Tilgung des Zahlungsmittels Geld. Bei den Angaben zur Person zu Beginn der Verhandlung hatte Joe angegeben, kein Einkommen und auch keine Sozialleistungen zu beziehen und weitere Nachfragen des Richters darüber, “wovon er denn lebe” mit einem emotionslosen “von Luft und Liebe” abgewürgt. Eben diese nun zu Beschränken liegt dann letzten Endes doch nicht in der Macht der Gerichte und so stand am Ende eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen a 20 Euro: der Angeklagte habe eine abgeschlossene Lehre und habe so die Möglichkeit ein Einkommen von 600Euro/Monat zu erarbeiten, so der Richter in seiner Urteilsbegründung.
Revision
Joe und sein Verteidiger gingen erneut ins Rechtsmittel und griffen so das Landgerichtsurteil schriftlich an. Weder die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei berücksichtigt noch die Gründe für seine Erwerbslosigkeit ermittelt worden.
Das OLG Köln hob somit das Berufungsurteil am 3. Dezember 2017 auf und verwies es erneut zurück ans Landgericht: eine etwaige Alkoholisierung, nachdem laut Akte der Angeklagte vor der Tat Wein, Bier und Vodka konsumierte, könne auf verminderte Schuldfähigkeit nach §21 StGB schließen lassen. Eine Berechnung der maximalen Blutkonzentration und dem Grad der Alkoholisierung zur Tatzeit sei nicht zu übergehen.
Berufung 2.0
So wurde nun am 27.November 2018 erneut vor dem Landgericht Köln verhandelt, wenn auch nur kurz über die Möglichkeiten einer Einstellung: Ohne Auflagen kam für den Staatsanwalt wie schon im Vorfeld bekannt auch jetzt nicht in Frage. Es folgten Diskussionen über BZR Einträge und andere laufende Verfahren und schließlich doch – nach zwei Tagen Haft, 3 Hauptverhandlungen und zwei Jahren Verfahrensdauer – eine Einigung auf:
Einstellung nach §153a StPO mit einer Auflage über 60 Sozialstunden bei der “Tafel” abzuleisten innerhalb einer Frist von 4 Monaten.
Last but least: das fast unvermeidliche Wort an den Angeklagten. Er möge aus dieser “Chance” nun Konsequenzen für sein Leben und “Verantwortung für sich selbst und andere übernehmen”.
Es endet wie es begann: mit einem Lacher der Strafverfolgungsbehörden, der uns das Mittagsessen wieder hochkommen lässt.
Bis die Behörden selbst beginnen, echte Verantwortung zu übernehmen und derlei unsinnige, unnötig die Verwaltung und wichtigere Strafverfolgung blockierende Prozesse einfach sein zu lassen, kann es noch lange dauern.