Brief #1 von Luna

Erhalten 14.Juni 2019

JVA Aachen, 14. Juni 2019

Okay, ich weiß gar nicht worüber ich zuerst wütend sein soll. Die Tatsache, dass B-Mike und ich gerade im Knast sind, und warum, die Unverschämtheit, eine Frau in den Männerknast zu stecken, die darauf folgende Isolation von anderen Gefangenen, der ganze andere Scheiß, der im Gerichtsverfahren gestern passiert ist, oder diverser Kleinkram an den Haftbedingungen.

Ich fang mal mit der Haft an sich an. 200€ oder 4 Tage Knast für die Weigerung, sich bei jedem Eintreten vor dem Gericht zu erheben (was an eine sakrale Handlung erinnert).

Okay, verstehe ich das richtig? Wir haben sowas wie Religionsfreiheit, aber ein Richter Vogt gehört gefälligst angebetet? Ich bin nicht religiös, aber irgendwie erinnert mich das ganze an eine Bibelgeschichte, die ich in der Grundschule im Reli-Unterricht aufgeschnappt habe. Da gings glaube ich um nen König, der Leute zu Tode verurteilt hat, weil sie nicht vor einer Statue von ihm niedergekniet sind oder so. Naja, der Zusammenhang ist klar?

Der Hauptgrund gegen meinen Mitangeklagten ist allerdings noch absurder. Weil er ohne Schuhe ins Gericht gekommen ist. Was bitte? Selbst die JVA-Angestellten, die am Anfang den Papierkram gemacht haben, fanden das ganze extrem lächerlich.

Noch ein nettes Detail ist, dass wir gar nicht die Möglichkeit hatten das Geld zu bezahlen, wenn wir es nicht zufällig dabei gehabt hätten. Nicht mal einen Hut durchs Publikum gehen zu lassen wäre möglich gewesen, vorher wurde so fast die gesamte Öffentlichkeit entfernt.

Also, nicht, dass ich vorgehabt hätte das zu zahlen, aber trotzdem... Für was übrigens noch Ordnungsgeld/-Haft angedroht wurde: für jedes weitere nicht-aufstehen, für das stellen auf den Tisch zum aufstehen, für das nicht-zurücknehmen einer Applausbekundung... wie war das nochmal mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung? Übrigens wurde auch unseren Verteidigern mehrfach mit Ordnungshaft gedroht. Ist das eigentlich rechtmäßig?

Okay, nächster Punkt: Männerknast. Echt jetzt? In meinem Perso steht ein "weiblicher" Name, mein amtlicher Geschlechtseintrag lautet auch so. Mein Hormonspiegel ist auch "normal" weiblich, entsprechend auch die Körperfettverteilung samt Brüsten. Das führt auch dazu, dass mich Menschen im Zweifel als Frau erkennen, und auch das kümmert die Justiz scheinbar nicht...

Und genau damit wird dann die nächste Schikane begründet, die komplette Isolation von anderen Gefangenen. "Zu meinem Schutz". Ja ne, ist klar. Daran ist so vieles falsch. Die Unterstellung dass alle Mitgefangenen sexuelle Gewalt ausüben oder transfeindliche Arschlöcher sind, ist zum Beispiel einfach nur falsch und eklig (wobei sich zumindest letzteres allen JVA-Angestellten unterstellen lässt, die bei dem Scheiß mitmachen).

Außerdem nimmt mir das die Möglichkeit, an irgendwelches Zeug zu kommen. Klar, Dinge tauschen/verschenken ist im Knast offiziell verboten, aber alle wissen, dass es passiert.

Worüber wollte ich mich noch aufregen? Ach ja, das Verfahren. Ehrlich gesagt, wenn ich jetzt alles aufschreiben würde was da so an Scheiß passiert ist, würde mir danach die Hand weh tun. Es wurde live getwittert, lässt sich unter #TripodProzess nachlesen. Drei Dinge will ich aber hervorheben: 

Dass meinem Verteidiger unter Androhung von Ordnungshaft verboten wurde, einen Antrag zu stellen, und der Richter die Protokollkraft explizit anwies, den Antrag nicht zu protokollieren. Dass mein Mitangeklagter und ich von Bullen angegriffen und ins Gericht getragen wurden, als wir in einer Verhandlungspause ein bisschen an die frische Luft wollten. Und dass es uns verboten war, in dem mehrstündigen Verfahren Wasser zu trinken.

Ach ja, betrifft jetzt nicht direkt das Verfahren, aber natürlich wurde uns auch nicht die Möglichkeit gegeben, uns vor der Vollstreckung der Ordnungshaft noch von anwesenden Freund*innen, Genoss*innen und Angehörigen zu verabschieden.

Ach ja, ich wollte noch über Kleinkram schreiben. Das Essen ist schrecklich. Dadurch, dass ich an einem Wochenende hier bin, habe ich diverse Rechte & Möglichkeiten nicht, die ich sonst hätte. Zugriff auf den Bücherkatalog zum Beispiel.

Selbst ob ich mit meinem Verteidiger reden darf ist fraglich und hängt davon ab ob heute noch ein Raum dafür frei ist (laut Abteilungsleitung). Denn Samstag und Sonntag geht auch das nicht. Und jetzt das beste: Ich darf mir, außer von meinem Verteidiger, keine Klamotten bringen lassen, und auch keine täglich benötigten Medikamente. 

Das heißt wenn es mit freien Räumen blöd läuft muss ich nicht nur vier Tage lang dieselbe Unterwäsche tragen, sondern auch ohne täglich benötigte Medikamente auskommen. 

Wenn ich so drüber nachdenke ist Kleinkram echt das falsche Wort. Aber um nochmal zu richtigem Kleinkram zu kommen: dem Kamm, der einem hier zur Verfügung gestellt wird, brechen bei normaler Benutzung einfach direkt die Zacken aus. Und um Unterstellungen vorzubeugen, meine Haare sind sehr gepflegt, werden täglich gekämmt und regelmäßig gewaschen, samt der Verwendung von Spülung. Aber Hauptsache ich bekomme drei Zahnbürsten für vier Tage...

Naja, genug gemeckert. Kommen wir zu den positiven Seiten. Ich bin mir sicher, das ganze kostet den Staat verdammt viel Geld. Mit den Verfahrenskosten am Ende vielleicht mehr als die eventuelle Geldstrafe. Und ich werd mich anstrengen, das ganze noch teurer zu machen.

Ganz allgemein, der ganze Scheiß ist nervig, aber wird mich nicht davon abhalten weiter für das was mir wichtig ist zu kämpfen. Jetzt erst recht und noch wütender!

LunⒶ