Brief #4 von Fledermaus

deutsch

Hey Menschen

ich dachte, ich melde mich mal wieder...
Hier ist es immer noch aushaltbar.
Feiertage im Knast sind scheiße, bedeuten im Prinzip die Nachteile von Wochenenden (keine Post, keine Möglichkeit Anträge zu stellen) ohne die Vorteile (Brötchen zum Frühstück). Das Klischee "trockenes Brot und Leitungswasser" trifft hier immer mahr zu, wir haben auf der Zelle die letzten Teebeutel wirklich so oft verwendet, dass er nachher nach nix mehr schmeckt und auch für aufs Brot gibt es kaum noch was, naja, morgen Mittag sollte wieder etwas mehr da sein. Und Mittagessen gibt es ja wie gehabt. Die Dusche war heute eiskalt. Heute beim Abendessen gab es teilweise verschimmeltes Brot, das darf auch gerne breitgetreten werden,vielleicht wird ja dann in Zukunft mehr darauf geachtet.
Wir waren auf der Titelseite der Wochenend-Taz, der Artikel war sogar ganz okay.
Achja, ich muss doch nochmal nerven, ich habe ohne zu wissen wieso einen so genannten "roten Balken" bekommen, das heißt ich gelte jetzt als Selbstmord gefährdet. Also darf ich jetzt nicht mehr in der Zelle bleiben, wenn mein einziger Mitbewohner ohne roten Balken zB. in die Kirche geht, dann müssen mein anderer Mitbewohner und ich in den sogenannten "Freizeitraum" gehen, wo wir gesehen werden können. Total bescheuert.
So, um noch was konstruktives in den Brief zu packen, weiß jemand von euch, ob es in einigen Gefängnissen Gewerkschaften der Gefangenen gibt?
Ich hatte heute ein paar Gespräche mit einigen Mitgefangenen, Gespräche über solche Fragen, wie die, was ein "gutes Leben" ausmacht und bin ein wenig traurig darüber, dass in vielen Dingen auch hier kapitalistisch-bürgerliche Normen vorherrschen. Um es platt zu sagen, ich habe das Gefühl, dass sich dei "Normalgesellschaft" und die "Knastgesellschaft" deutlich ähnlicher sind, als beide dem Miteinander in den Strukturen, in denenich mich normalerweise bewege.
So, das wars jetzt aber auch....

Liebe, Solidarität und Anarchie FLEDERMAUS

geschrieben: 08.02.16